Kaffee Arbeitsunfall: Wann verschluckter Kaffee als Arbeitsunfall zählt
Ein unachtsamer Schluck Kaffee – und schon ist es passiert. Doch was wie ein harmloser Vorfall klingt, kann unter bestimmten Bedingungen tatsächlich ein Arbeitsunfall sein. Wir erklären, wann der Versicherungsschutz greift, was Arbeitgeber beachten sollten – und wie ein Gericht kürzlich entschied.
Kaffee Arbeitsunfall – mehr als ein kurioser Einzelfall
Kaffeepausen gehören für viele Beschäftigte zum Arbeitsalltag. Doch was passiert, wenn bei einer dienstlichen Besprechung ein Mitarbeiter Kaffee trinkt, sich verschluckt, stürzt und sich verletzt? Kurios? Vielleicht. Aber nicht bedeutungslos.
Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat genau einen solchen Fall entschieden – mit einem bemerkenswerten Ergebnis: Ein Kaffee kann unter bestimmten Voraussetzungen zum Auslöser eines versicherten Arbeitsunfalls werden.
Der Fall: Verschluckt, gestürzt – und versichert?
Ein Vorarbeiter auf einer Baustelle nahm an einer verpflichtenden Morgenbesprechung im Baucontainer teil. Während er Kaffee trank – bereitgestellt vom Arbeitgeber – verschluckte er sich, lief hustend hinaus, verlor das Bewusstsein und stürzte. Dabei brach er sich das Nasenbein.
Zunächst lehnten die Berufsgenossenschaft und das zuständige Sozialgericht die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Begründung: Kaffeetrinken sei eine private Tätigkeit. Doch das sah das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt anders. Das Urteil (Az. L 6 U 45/23) bringt Klarheit – und neue Maßstäbe.
Wann ist ein Kaffee ein Arbeitsmittel?
Laut LSG war das Kaffeetrinken nicht privat, sondern in den betrieblichen Ablauf eingebunden. Entscheidend war:
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☑️ Die Besprechung war verpflichtend und vom Arbeitgeber angesetzt
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☑️ Der Kaffee wurde vom Arbeitgeber gestellt
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☑️ Ziel war die Förderung von Wachsamkeit, Teamdynamik und einer angenehmen Gesprächsatmosphäre
Damit lag aus Sicht des Gerichts ein ausreichender beruflicher Zusammenhang vor – der Verschluckunfall wurde als Arbeitsunfall anerkannt.
Die juristische Grundlage: Was sagt das Gesetz?
Das Sozialgesetzbuch VII (§ 8 Abs. 1 SGB VII) definiert den Arbeitsunfall als Ereignis, das „infolge einer versicherten Tätigkeit“ geschieht. Grundsätzlich sind Essen und Trinken nicht automatisch versichert – es sei denn, sie dienen betrieblichen Zwecken.
Das war hier der Fall:
✔ Der Kaffee war Teil der Besprechung
✔ Die Besprechung war arbeitsbedingt
✔ Der Arbeitgeber stellte die Getränke zielgerichtet bereit
👉 Unser Tipp: Dokumentieren Sie betriebliche Besprechungen, insbesondere dann, wenn sie mit Pausen oder Verpflegung kombiniert werden. Das schafft im Ernstfall klare Verhältnisse.
Kaffee Arbeitsunfall – die 4 entscheidenden Kriterien
Damit ein verschluckter Kaffee wirklich zum Arbeitsunfall wird, sollten folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Beruflicher Kontext
Die Tätigkeit (z. B. Besprechung) muss im Interesse des Arbeitgebers liegen und nicht freiwillig oder rein privat erfolgen.
2. Organisatorischer Rahmen
Es muss eine klare Anbindung an den Arbeitsablauf bestehen, etwa durch einen Terminplan, ein Protokoll oder eine Einberufung durch Vorgesetzte.
3. Bereitstellung durch den Arbeitgeber
Wird der Kaffee bewusst vom Unternehmen zur Verfügung gestellt, kann das als Einsatz eines Arbeitsmittels gewertet werden.
4. Förderung der Arbeitsleistung
Wenn das Getränk nachweislich Konzentration, Leistungsfähigkeit oder Kommunikation unterstützt, ist ein funktionaler Zusammenhang gegeben.
Welche Konsequenzen hat das für Arbeitgeber und Beschäftigte?
Für Arbeitgeber heißt das: Pausen, Besprechungen und Versorgung sollten klar strukturiert und dokumentiert werden. Denn im Schadensfall kann das entscheidend sein.
Für Arbeitnehmer gilt:
📌 Unfälle im betrieblichen Kontext immer ins Verbandsbuch eintragen
📌 Vorgesetzte umgehend informieren
📌 Ab drei Tagen Arbeitsunfähigkeit muss der Arbeitgeber die Berufsgenossenschaft informieren
👉 Sie möchten Ihre Dokumentationspflichten rechtssicher umsetzen? Unsere Fachberater bei KUECK Industries unterstützen Sie dabei – von der Gefährdungsbeurteilung bis zur Unfallnachbearbeitung.
Revision vor dem Bundessozialgericht läuft
Das Urteil des LSG ist noch nicht endgültig: Die Revision zum Bundessozialgericht wurde zugelassen. Es bleibt spannend, ob die rechtliche Bewertung künftig noch enger gefasst oder weiter ausgelegt wird.
Doch bis dahin gilt: Auch der letzte Schluck Kaffee kann Arbeit sein – wenn er in einem verpflichtenden, betrieblich strukturierten Rahmen getrunken wird.
Fazit: Kaffee Arbeitsunfall – nicht immer privat
Was auf den ersten Blick wie ein Missgeschick aussieht, kann rechtlich ein vollwertiger Arbeitsunfall sein – mit Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung.
Als Arbeitgeber sollten Sie Pausenkonzepte, Besprechungen und Getränkeversorgung nicht dem Zufall überlassen. Struktur und Dokumentation schützen nicht nur vor Rechtsunsicherheit – sie zeigen auch, dass Sie Verantwortung übernehmen.
🛠 Sie möchten mehr zum Thema Arbeitsunfall wissen?
👉 Dann lesen Sie auch unseren Beitrag: „Arbeitsunfall – was passiert nun?“ (Dezember 2022)
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