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Wie verbindlich sind Gesetze, Verordnungen, Regeln, Normen und andere Schriften?

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Immer wieder werden die Berater von KUECK Industries danach gefragt, an welche Regeln man sich im Arbeitsschutz eigentlich verbindlich halten muss. Welche Schrift hat eigentlich welche Bedeutung? Wie viel Verbindlichkeit steckt in den einzelnen Schriften, die in der modernen Medienwelt im Internet kursieren? Bei der Vorbereitung auf den Artikel Brandgefahr 1: Kerzen und Weihnachtsdekoration im Unternehmen! in dieser Ausgabe von KIaktuell sind wir auf eine Brandschutzverordnung gestoßen, die den Einsatz von Weihnachtsdekoration im Unternehmen regeln soll. Kurz und knapp: Eine Brandschutzverordnung gibt es in Deutschland (11/2023) nicht.
Europäisches Arbeitsschutzrecht.

In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU) in Artikel 31 wird jedem Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen zugesprochen. Dieses Recht ist darüber hinaus in Artikel 151 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag) verankert.

Der Artikel 153 des AEU-Vertrages erlaubt dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen entsprechende Richtlinien zu erlassen. Dabei sind aber die in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen und technischen Regelungen zu berücksichtigen. EU-Richtlinien sind als Mindeststandards anzusehen, welche die Mitgliedstaaten mit ihren nationalen Standards nicht unterschreiten dürfen. Gleichwohl ist es Ihnen erlaubt darüber hinaus zu gehen.

INFO:

EU-Richtlinien bilden Mindeststandards ab, welche die Mitgliedstaaten erst in ihre nationale Gesetzgebung aufnehmen müssen. Eine geänderte Richtlinie entfaltet in der Regel keine sofortige Auswirkung auf das nationale Recht, zum Beispiel in Deutschland.
EU-Verordnungen sind mit dem Tag ihrer Verkündung europaweit verbindlich und gültig. Sie sind ab dem Tag anzuwenden, ohne dass es einer nationalen Regelung dazu bedarf.

Für das europäische Arbeitsschutzrecht ist derzeit (noch) die Richtlinie 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (kurz: Arbeitsschutzrahmen-Richtlinie) als Grundlage gesetzt. Ergänzend dazu gibt es Einzelrichtlinien, die Mindestvorschriften, beispielsweise für die Bereiche Arbeitsstätten, Arbeitsmittel und Persönliche Schutzausrüstungen enthalten.

 

Deutsches Grundgesetz.

Das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland ist die Grundlage für den nationalen Arbeitsschutz. Denn im Grundgesetz sind die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit in den Artikeln 1 und 2 verankert:

Aus dem Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. (Artikel 1 Abs. 1)
Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. (Artikel 2 Abs. 2)

Darauf bauen alle weiteren Gesetze auf, mit denen die Anforderungen an den Arbeitsschutz in Deutschland geregelt werden. Jedoch wird diese Gesetzgebung sehr stark durch die Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union beeinflusst.

 

Staatliches Deutsches Arbeitsschutzrecht.

Grundlegende Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers oder Unternehmers sowie die Pflichten und die Rechte der Beschäftigten sind im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) geregelt. Auch die Überwachung durch die zuständigen staatlichen Behörden regelt das ArbSchG. Es basiert auf den Anforderungen der europäischen Arbeitsschutzrahmen-Richtlinie (Richtlinie 89/391/EWG)und setzt diese in deutsches Recht um.

Ergänzend gibt es weitere Gesetze wie das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG), das Mutterschutzgesetz (MuSchG), das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) oder auch das Chemikaliengesetz (ChemG) zu beachten. Auch diese schaffen die erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen für den Vollzug von EU-Richtlinien und -Verordnungen in Deutschland.

Diese Gesetze enthalten in der Regel eine Verordnungsermächtigung, auf deren Grundlage die Bundesregierung, einzelne Ministerien oder die Länderregierungen untergeordnete Verordnungen erlassen können. Diese sind rechtsverbindlich und sollen die gesetzlichen Pflichten konkretisieren. Prominente Beispiele sind die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), die Biostoff-Verordnung (BioStoffV) oder die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV).

Bitte beachten Sie: Alle bis hierhin genannten Regelungen auf Gesetzes- und Verordnungsebene sind rechtsverbindlich anzuwenden. Es gibt dafür keine Ausnahmeregelungen. Außerdem ist zu beachten, dass bundesgesetzliche Regelungen grundsätzlich immer über denen der Bundesländer stehen. Der § 3a ArbStättV regelt zum Beispiel ausdrücklich, wann das Bauordnungsrecht der Länder vorrangig vor dem Bundesrecht angewendet werden darf.

 

Recht der Unfallversicherungsträger.

Die Unfallversicherungsträger (Berufsgenossenschaften und Unfallkassen) haben nach dem Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) u. a. die Aufgabe, “mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen.”. Deswegen werden sie im SGB VII dazu ermächtigt, Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen, soweit dies zur Prävention geeignet und erforderlich ist und staatliche Arbeitsschutzvorschriften hierüber keine Regelung treffen. Das sind die so genannten Unfallverhütungsvorschriften: DGUV Vorschriften.

Bitte beachten Sie: DGUV Vorschriften sind als autonomes Recht der Unfallversicherungsträger kraft SGB VII genauso rechtsverbindlich wie staatliche Gesetze und Verordnungen. Sie müssen diese einhalten!

 

Auf Schreibweisen achten.

Die Arbeitsschutzexperten vom KUECK Industries achten gemeinsam mit Ihnen auf die Schreibweise und deren Bedeutung in Gesetzen, Verordnungen und Unfallverhütungsvorschrifte

  •  Arbeitgeber oder Unternehmer sind dem Grunde nach die gleiche Personengruppe: Hiermit sind immer die unternehmerisch verantwortlichen Personen angesprochen. Das kann der Einzelunternehmer wie Arzt oder Apotheker, der Geschäftsführer einer GmbH oder gGmbH oder auch der Vorstand einer Aktiengesellschaft oder Körperschaft öffentlichen Rechts sein. Aber auch Vereinsvorstände nach § 26 BGB können Arbeitgeber oder Unternehmer sein.
  •  „ist“ oder „hat“ ist verbindlich. Beide Worte implizieren keine freundliche Bitte des Gesetzgebers oder Unfallversicherungsträgers, sondern eine verpflichtende Regelung. So formulierte Anforderungen sind einzuhalten, eine Abweichung ist in der Regel strafbewehrt.
  •  „soll“ heißt müssen, wenn man kann, aber eine Abweichung muss sachlich begründet werden. Die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften lassen dabei zwar Spielräume, eine rein wirtschaftliche Begründung („das ist zu teuer“ oder „dafür fehlt das Geld“) ist dabei in der Regel jedoch nicht ausreichend.

 

Technische Regeln und DGUV-Regeln.

Technische Regeln konkretisieren staatliche Gesetze und Verordnungen zum Arbeitsschutz. Diese sind im Internet auf der Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hier zu finden. Sie enthalten Empfehlungen und technische Vorschläge. Sie geben Beispiele dafür, wie zum Zeitpunkt der Bekanntgabe nach dem Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Arbeitshygiene sowie sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse der Arbeitsschutz im Unternehmen sicher umgesetzt werden kann.

Generell sind Technische Regeln nicht rechtsverbindlich. Bei Einhaltung der Technischen Regeln dürfen Sie als Arbeitgeber jedoch davon ausgehen, die zugrundeliegenden Forderungen der Gesetze und Verordnungen erfüllt zu haben (Vermutungswirkung).

Wählen Sie eine andere Lösung, müssen Sie (im Schadensfall) beweisen, dass Sie mit dieser Lösung mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreicht haben. Deswegen orientieren sich die Handlungsempfehlungen der Experten von KUECK Industries immer an diesen Technischen Regeln.

DGUV Regeln (DGUV R) dienen ebenso als Hilfestellung bei der Umsetzung der Anforderungen aus den staatlichen und autonomen Arbeitsschutzvorschriften. Die Unfallversicherungsträger erstellen diese DGUV Regeln unter Berücksichtigung von technischen Spezifikationen und Erfahrungen aus der Präventionsarbeit. Auch DGUV Regeln sind nicht rechtsverbindlich. Aber auch hier gilt. Bei Einhaltung der dort gegebenen Empfehlungen kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass er geeignete Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren getroffen hat. Er hat aber auch die Möglichkeit, mit anderen Lösungen die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten zu erreichen.

 

Informationen, Normen und andere Veröffentlichungen.

Hierbei handelt es sich immer um Meinungsäußerungen der Herausgeber. Sie haben keine Rechtsverbindlichkeit. Gleichwohl können sie bei der sicheren und gesunden Gestaltung der Arbeit sehr hilfreich sein.

Mit DGUV Informationen (DGUV I) geben Unfallversicherungsträger spezielle Veröffentlichungen als Hilfestellungen und Empfehlungen für bestimmte Branchen, Tätigkeiten und Zielgruppen heraus.

Normen werden zur Konkretisierung der im europäischen und deutschen Regelwerk genannten grundlegenden Sicherheitsanforderungen auf der Basis gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen veröffentlicht. Sie haben empfehlenden Charakter, solange der Gesetzgeber sie nicht in eine Verbindlichkeit hebt.

Ein eigenständiges Technisches Regelwerk hat zum Beispiel der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) aufgebaut. Die darin enthaltenen sogenannten VDI-Richtlinien werden von Experten aus Industrie und Wissenschaft erarbeitet. Ein ähnliches Regelwerk geben auch der Verband der Versicherer (VdS) oder der Verein für den vorbeugenden Brandschutz (VdfB) heraus. Solche Richtlinien können anerkannte Regeln der Technik darstellen.

Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) besteht aus Vertretern der obersten Arbeitsschutzbehörden der Länder. Er berät die Fachministerkonferenz bei allen grundlegenden Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes in der Arbeitswelt. Ziel des LASI sind länderübergreifende einheitliche Grundsätze, in denen er Leitlinien und Handlungsanleitungen veröffentlicht. Sie geben an, wie die Länderbehörden das Arbeitsschutzrecht in der Umsetzung interpretieren und sind damit auch eine gute Erkenntnisquelle für die Experten von KUECK Industries. Rechtsverbindlich sind sie aber nicht.

Fazit.

Das Arbeitsschutzrecht ist relativ einfach: Europäische Verordnungen, nationale Gesetze und Verordnungen sowie die Unfallverhütungsvorschriften sind rechtsverbindlich. Sie müssen eingehalten werden und befinden sich in der obigen Rechtspyramide oberhalb der roten Linie.

Informationen, Technische Regeln und Schriften von Fachorganisationen haben einen empfehlenden, hinweisenden, aber keinen rechtsverbindlichen Charakter. Gleichwohl ist man gut beraten sie zu beachten, denn sie können eine Vermutungswirkung entfalten. Die Berater von KUECK Industries kennen sich in diesem Dschungel aus und begleiten Sie in einen rechtskonformen Alltag.

 

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